Januar 2023: Wieder Ukraine-Transport mit 2 Tonnen medizinischem Material und weiteren Hilfsgütern

Wir sind wieder unterwegs. Für mich ist es das zweite Mal innerhalb weniger Wochen. Das letzte Mal war ich am 17. Dezember 2022 an der ukrainischen Grenze, um einige Generatoren durch den Schnee zu einigen verzweifelt wartenden Menschen zu bringen, die im Dunkeln frieren, nachdem die ukrainische Strom-Infrastruktur erheblich beschädigt wurde.

Diesmal, glaube ich, bin ich besser vorbereitet unterwegs, mit Schneeketten, je zwei Reserverädern für Sprinter und Anhänger, zwei Wagenhebern, Kompressor, Power Pack Starter und Batterielader, extra Kanister für Diesel, warme Kleidung, Decken und Kopfkissen, um die Nacht im Auto verbringen zu können. Und: Diesmal fahren wir mit 2 Autos und 2 Fahrern pro Auto.

Das Team unter der Leitung von Vitaliy Krusch: Daniel Fußy, Vitaliy Krusch, Jochem Savelsberg, Matthias Straub.

Ich will die Dezembergeschichte nicht wiederholen. Wir beladen unseren Konvoi mit 

  • Spenden des Vereins für Gefährdetenhilfe Bonn
  • medizinischen Artikeln aus Spenden der Uniklinik Bonn
  • 650 OP-Kittel der Dr. Becker Kliniken
  • Hygieneartikel für Kinder und Erwachsene
  • Lebensmitteln
  • viele Plastiktüten gefüllt mit warmer second hand Kleidung
  • 9 Generatoren
  • mehr als 30 Feldbetten
  • andere medizinischen Geräten wie Krücken und Plastikverbänden für gebrochene Beine

Insgesamt etwa 2 Tonnen Spenden

Wie immer besteht die Herausforderung darin, die Spenden so zu verpacken, dass die gesamte Ladung möglichst an Ort und Stelle bleibt. Aus Zeitgründen wurden einige der Spenden nicht in Kartons verpackt und sortiert. Normalerweise sollte das ein No Go sein, aber wir beißen auf die Zähne und packen, da wir einfach nicht genug Zeit haben. Wir schließen den Anhänger und werfen den Rest über die Hintertür in den Anhänger, da die Müllsäcke nicht gestapelt werden können. Beim Öffnen der Tür fällt alles wieder heraus. Beim Sprinter verfahren wir weitestgehend analog. Mal sehen, wie das bei der Grenzkontrolle läuft. “Bitte öffnen…”. Ich glaube, ich weiß schon, was auf uns zu kommt.

Packen des Transporters – Säcke mit Spenden

Wir fahren durch den Frühnebel in die Berge. Rund um Kassel kommt die Sonne raus und wir haben eine gute freie Fahrt bis Krakau.

In Krakov

Die einzige Herausforderung ist es, nicht zu spät zu kommen. Uns wurde gesagt, dass das Restaurant um 22:00 Uhr schließt. Also fahren wir zügig weiter, wechseln den Fahrer und halten im Grunde nur für Benzin- und Kfz-Maut Gebühren an. Wir kommen mit dem Sprinter gegen 21:30 Uhr an. Gott dankbar für eine beschützte Fahrt parken wir den Sprinter, nehmen unsere persönlichen Sachen heraus und checken ein.

Restaurant ist geschlossen. Ich erkundige mich noch einmal nach der Schließzeit. Das Personal sagt, dass es um 22:00 Uhr schließt. Infos sind also ok. Aber: Der Koch ist schon weg. Hm. Okay, das ist gut für die Diät. Wir beschliessen unser Gepäck abzuladen und uns auf ein Bier in der Bar zu treffen, die während des Eincheckens noch geöffnet ist. 10 Minuten später komme ich unten an und rate mal: Die Bar hat jetzt auch geschlossen. „Es tut uns leid …“ Hm.

Am Morgen erscheinen wir früh zum Frühstück. Eine Busladung Menschen steht Schlange vor einer einzelnen Kaffeemaschine. Buffet ist leer. Also eine Frage der Logistik: Erst essen, dann Kaffee. Endlich fährt der Bus ab und wir haben die Kaffeemaschine für uns alleine. Endlich alles gut und wir fahren zur Grenze.

Auf dem Weg zur Ukrainischen Grenze

Wir haben eine eher ereignislose Fahrt, außer einmal führt uns die App zum Zielgrenzkontrollübergang durch die Ukraine, was dazu führte, dass wir am falschen Grenzübergang ankamen. Wir passen uns an und die App führt uns in immer kleinere Straßen, bis wir schließlich vor einer Sackgasse anhalten müssen. Hm.

Jetzt wechseln wir von der Apple-App zur Google-App und fahren endlich zum richtigen Ziel. Wir passieren mit Zuversicht Kilometer für Kilometer eine endlose Schlange großer Frachtwagen und halten 100 m vor der Grenzkontrolle. Wir bitten darum, unter „humanitären Hilfe“ schnell die Grenze passieren zu dürfen, fordern im Grunde eine Ausnahme der Regeln. Dieses Mal wären wir wahrscheinlich wie immer mit dem Zauberwort davongekommen. Aber wir bekommen die Auskunft, dass wir für LKW mit Anhängern mit insgesamt über 3,5 Tonnen eine andere Grenze verwenden müssen. Die Regeln haben sich in den letzten 2 Wochen geändert. Hm.

LKW-Stau am Grenzübergang

Wir ändern den Plan und erreichen schließlich einen anderen Grezübergang. Der funktioniert prima, aber unser Zeitplan in Liviv anzukommen, ist jetzt durcheinander und wir müssen an einem anderen Ort als geplant übernachten. Wir fahren in eine kleine Stadt, die wir bereits von den letzten Touren kennen und die sowieso unser geplantes zweites Ziel auf unserer Reise war. Die gesamte Logistik und die beteiligten Personen müssen sich also erneut anpassen. Der Grenzübertritt jedenfalls läuft reibungslos, wenige Autos, kein Vergleich zum 17. Dezember. Und zum Glück verlief das Öffnen von Sprinter und Anhänger (diesmal) ohne große Umpackübungen. Wir müssen allerdings alle Inhalte der Spenden auf einem Formular dokumentieren. Dann kommt ein Teil davon auf eine Abschrift und bekommt einen Stempel von der Grenzkontrolle für die örtliche Wohltätigkeitsorganisation. Endlich sind wir wieder in der Ukraine und steuern unsere Zielstadt an.

Die erste Nacht in der Ukraine

Wir parken Sprinter und Anhänger in einem sicheren Bereich hinter einem Zaun. Dann fahren wir mit einem lokalen Fahrer zum Abendessen. Wie gewohnt werden wir mit regionalen Speisen super bedient. Wunderbar. Das Hotel war mir seit Dezember bekannt. Aber dieses Mal, eine angenehme Überraschung: Die Dusche funktioniert, warmes Wasser, keine Stromunterbrechungen. In 2 Monaten hat sich viel verändert.

Wir treffen kurz einen verwundeten Soldaten mit Krücken, der nach einer Schusswunde nach Hause entlassen wurde. Wir sehen den Schmerz und die Enttäuschung in seinen Augen. Aber vorerst ist er aus der unmittelbaren Gefahrenzone. Der örtliche Bürgermeister sagt: „Wir beginnen uns daran zu gewöhnen mit dem Krieg zu leben, wie Israel. Generatoren haben wir jetzt genug. Als nächstes brauchen wir schwere Baumaschinen und Straßenreparaturmaschinen und mehr Personentransporter …“

In der Tat haben die Kleinbetriebe rund um das Hotel mittlerweile alle Generatoren, der Reparaturprozess der Infrastruktur läuft permanent. Hoffen wir, dass dies noch eine Weile so bleiben kann. Nach einer erholsamen Nacht holen wir uns unseren Kaffee und genießen ein reichhaltiges lokales Frühstück außerhalb des Hotels.

In der Zwischenzeit wird die tägliche Routine für unsere koordinierende Partei in letzter Minute vermasselt. Es ist geplant, die Generatoren auszuladen, und an einer örtlichen Zeremonie teilzunehmen, um den Erhalt der Generatorspenden zu dokumentieren. Während wir im Frühstücksraum warten, hat das Bürgermeisteramt und unser Koordinator einige zusätzliche hektische Aktivitäten zu bewältigen. Jemand an der Grenze hat einige der Generatoren zu einem anderen Bestimmungsort dokumentiert, also müssen die Mitarbeiter einige Leute in Lviv bitten, den Bestimmungsort in einem schriftlichen Dokument anzupassen. Hm.

Während all dies geschieht, warten wir. Das ist ok. Es ist wie bei der Bundeswehr in meiner bisherigen Erfahrung. Früh aufstehen, frühstücken, für etwas anstehen. Warten, noch etwas warten, dann Pause, Mittagessen. Dann sich wieder in die Schlange stellen und erneut warten.

Foto-Termin im Rathaus

Schließlich gehen wir zum Rathaus. Statt der Zeremonie ein kurzer Fototermin, dann geht es weiter zum Sprinter. Da ein Teil des Materials in der Stadt bleiben muss, müssen wir es erst finden und ausladen. Im Grunde besteht die Aufgabe darin, den Sprinter und den Anhänger komplett auszuräumen und wieder neu zu beladen, da sich die Reihenfolge des Auspackens aufgrund des Zielstadtwechsels geändert hat. Da wir gestern Abend ein gutes Frühstück und ein fantastisches Abendessen genossen haben, sollten wir sowieso ein paar Kalorien verbrennen. Sobald wir wieder im Sprinter sitzen, sind meine Sorgen, mit zu viel Gewichtszunahme nach Hause zu kommen, weg. Stattdessen frage ich mich, wie ich den Rest der Reise wach bleiben soll.

Reise nach Lviv

Wir sind wieder unterwegs. Die Straßen sind ein Flickenteppich aus Löchern, manchmal so groß wie ein Fußball, dazwischen einige reparierte Stellen, einige Felsen, einige Schlammabschnitte. Einige der Löcher sind so tief, dass man um sie herumfahren muss, um Reifen und Räder nicht zu beschädigen. Wir kommen langsam voran. Sie brauchen definitiv Straßenreparaturmaschinen. Je näher wir Lviv kommen, desto besser werden die Straßen.

Ankunft am Zielort… 
… und Entpacken des Transporters.

Endlich kommen wir an. Wir holen einen lokalen Koordinator ab und kommen an einem Lagerort an, wo uns einige Einheimische helfen werden. Das Lager befindet sich im ersten Stockwerk. Vom LKW und Anhänger bringen wir alle Inhalte durch die Eingangshalle, zwei große Treppen hinauf und durch eine weitere Hallehindurch an ihren Bestimmungsort. Mehrere engagierte junge und alte Menschen helfen mit. Keine Männer mittleren Alters, nicht schwer zu raten warum.

Freiwillige Helfer haben hier ein Lager für Hilfsgüter errichtet. Unsere Spenden sind dabei.

Plötzlich gehen mehrere Sirenen los. Warnung vor Luftraketen. Es besteht die Möglichkeit zu warten und sich hinter einer Wand aus Sandsäcken im Erdgeschoss in einem vorbereiteten Unterstand zu verstecken.

Schutzraum mit Sandsäcken – Zuflucht bei Alarm

Aber von den Einheimischen hört niemand auf zu arbeiten, alle machen weiter. Stoisch. Dann ist der Alarm vorbei, später wieder Alarm, dann wieder aus. Hm. Wir schließen uns dem Verhalten der Einheimischen an. Endlich sind Sprinter und Trailer leer. Noch etwas Papierkram mit der örtlichen Wohltätigkeitsorganisation. Dann gehen wir was essen. Die Sirenen gehen wieder los. 

Kontakt:

Dr. Matthias Straub
(Email an Matthias)