Vor Weihnachten in Köln: Besuche bei Menschen ohne festen Wohnsitz

Kathrin

Autorin
Seit 2020 besuchen Teams von Menschenfreude e.V. Menschen ohne festen Wohnsitz und Drogenabhängige in Köln und Bonn. An diesem Advent-Wochenende waren Anke, Elke, Kathrin und Andreas in der Kölner Innenstadt unterwegs. Mit im Gepäck: Decken, warme Pullover, Handschuhe, Schals und Mützen - allesamt gespendet von Familien und Freunden. Vielen Dank an dieser Stelle! Und natürlich mehrere Kannen heißer Kaffee und jede Menge Weihnachtsleckereien.
Menschenfreude Köln Menschen ohne festen Wohnsitz

10 Uhr: Los geht es am Hauptbahnhof. Drei Grad und Nieselregen. Nicht sehr gemütlich. Manfred kommt uns entgegen. Er schiebt einen Einkaufswagen mit Decken und Kleidung vor sich her. Ob er einen Kaffee möchte? Gerne. Und einen Pullover, wenn wir einen in unserer Tüte haben. “Aber ohne Löcher!” Warum Löcher, fragen wir. “Ich meine Reißverschlüsse. Da pfeift der Wind sonst immer durch.” Ah ok, verstanden. Er nimmt einen Fleece-Pulli aus der Tüte. Und natürlich auch eine Packung Kekse. Ob wir ein Erinnerungsfoto machen sollen? “Gerne. Für Euch mach ich auch ‘ne Modenschau.”

Elke zeigt unsere Auswahl an Pullis. (Aus Gründen der Wahrung der Persönlichkeitsrechte zeigen wir Personen auf der Straße nur teilweise.)

10.15 Uhr: Auf dem Platz hinter dem Hauptbahnhof treffen wir eine Gruppe jugendliche Suchtkranke. Einige sind kaum orientiert und werden von den anderen gestützt. Einige nehmen einen Becher Kaffee von uns. Christine freut sich über Mandarinen und Äpfel, die Elke ihr in die Jackentasche stopft. Vitamine sind wichtig.

Unsere warmen Sachen werden dringend benötigt. Dieser Jugendliche ist im Jogging-Anzug unterwegs.

Ein junger Mann tippt Andreas auf die Schulter. “Habt ihr vielleicht Schuhe?” Wir gucken an ihm herunter und seine Turnschuhe sind ganz kaputt. “Haben wir leider nicht. Aber helfen dir vielleicht Socken?” Wir geben ihm direkt zwei Paar warme Ski-Socken. Und noch einen Schal und einige Mandarinen für die Jackentasche. Er ist sehr freundlich und freut sich sehr. “Gott segne Euch. Schöne Weihnachten.” Wo er herkommt, fragen wir ihn. Und wie er heißt. Er sei Lorenzo. Aus Rumänien. 

Weihnachtsgruß von Menschenfreude

10.35 Uhr: Wir laufen durch den Tunnel in Richtung Dom. Niemand da, stellen wir fest, als wir an den Isomatten und Schlafsäcken vorbeilaufen. Wir legen eine Tüte Kekse, Äpfel und Mandarinen an jeden Schlafplatz. Frohe Weihnachten.

Diese Schlafplätze unterhalb des Doms sind heiß begehrt. Sie bieten etwas Schutz vor Nässe.

10.45 Uhr: Die Treppe hoch zur Domplatte. Und in Richtung Hohe Straße. Auf dem Weg treffen wir einige Obdachlose, die teilweise unter Regenschirmen hocken. Zwischen den sich bildenden Schlangen aus Touristen, die den Dom besichtigen wollen. In der Einkaufsstraße verteilen wir einige Becher Kaffee, Kekse und Kleidung. 

Hoch gehts die Stufen rauf zum Dom. Unsere Habseligkeiten haben wir in Körben und Tüten verpackt.

Passanten bleiben stehen und schauen uns zu. Einige finden es gut, was wir machen. Eine Frau nickt uns anerkennend zu. Vielleicht ziehen sie ja auch einmal los und fühlen sich von unserer Aktion inspiriert. Das würde uns freuen. 

Fußgängerzone: Es gibt so viele verschiedene Schicksale. Und auch viele Vorurteile, lernen wir hier. Passanten schauen uns zu.

Wohnen in Köln – nicht einfach

11 Uhr: In einem Hauseingang treffen wir René. Er freut sich sehr über einen Pulli, den wir ihm schenken. Wie lange er schon auf der Straße sei, fragen wir ihn. Erst drei Monate. Es sei hart. Alles sei irgendwie scheiße gelaufen. Er habe Arbeit und Wohnung verloren. Und schaue sich sogar Wohnungen an. Aber es war bisher keine Zusage dabei. Er hoffe, dass er bald eine Zusage bekommt für eine Wohnung. “Köln ist schwierig.” Wo er schläft, fragen wir ihn. “Da hinten in der Passage. Da gibt’s Videoüberwachung. Ich glaube, da passt irgendeiner auf. Am Monitor oder so. Da muss ich keine Angst haben”, sagt er und zuckt mit den Schultern.

Damit es zumindest etwas warm bleibt, verteilt Elke warme Socken. Die große Tüte wird merklich leerer.

11.30 Uhr: Wir treffen Steve. Er holt sich gerade etwas zu Essen in einer Bäckerei. “Hey Steve!” Anke und Andreas kennen ihn. Andreas trifft ihn fast täglich auf seinem Weg zur Arbeit. “Bist du gleich an deinem Platz? Ja? Wir kommen gleich hin.” Ein paar Minuten später hat Steve wieder sein Quartier in der Seitenstraße bezogen. Er lebt auf einem Berg aus Matratzen, Decken und umgeben von Planen, die er provisorisch an einem Verkehrsschild festgeknotet hat.

Andreas erklärt ihm, wenn es im Winter ganz ganz kalt wird, kann er für ihn eine Telefonnummer anrufen, damit Steve einen Schlafplatz bekommt. Steve nickt. “Sollen wir das so machen?” Er nickt wieder und lächelt. Wir geben ihm eine Tüte Kekse, Äpfel, Mandarinen und ein Paar Handschuhe. Steve spricht nicht viel, aber nickt uns dankbar zu. “Bis zum nächsten Mal, Steve.  Ja? Ok?”

Chance auf einen Neuanfang

Peter hockt unter einem Regenschirm an einem Schaufenster. Wir kommen ins Gespräch.

11.50 Uhr: Wir laufen durch die Schildergasse und sehen einen Mann unter einem Regenschirm sitzen. Mittlerweile regnet es stark. “Können wir dir einen warmen Kaffee anbieten? Mit Milch?” Wir lernen Peter kennen. Peter ist aus Holland, aber schon viele Jahre in Köln. Er ist laktoseintolerant, erklärt er uns, weswegen Anke seinen Kaffee trinken darf. Er nimmt ihn lieber schwarz mit etwas Zucker. Und auch keine Schokolade, sondern lieber Spekulatius. Der wird in Holland auch sehr gern gegessen.

Wir kommen ins Gespräch. Peter ist wahnsinnig nett. Er erzählt uns aus seinem Leben und seine Augen beginnen zu leuchten. Es gibt viele Unterschiede zwischen den Obdachlosen. Solche und solche. Er bemühe sich, wieder den Weg ins normale Leben zu finden. Er rühre keinen Tropfen Alkohol an. Wirklich. Es sei unglaublich kräftezehrend, auf der Straße zu schlafen. “Und wisst Ihr was? Ich habe nächste Woche tatsächlich ein Bewerbungsgespräch.” Wow, sagen wir. Peter, das ist toll! “Bei einer Kirchengemeinde. Der Frau dort war es egal, dass ich obdachlos bin. Sie sagte, ich muss ja irgendwo anfangen. Und das wäre vielleicht der erste Schritt.”

Er wird vorher zum Corona-Test gehen und sich zurechtmachen, damit er ordentlich aussieht für das Gespräch. Andreas greift in seinen Geldbeutel und reicht ihm einen Geldschein. “Ist ok. Für einen Friseurbesuch! Dann siehst du richtig gut aus an dem Tag!” Peter freut sich und ist zuversichtlich, dass es klappen wird mit dem Job. Es muss klappen. Wir wünschen ihm von Herzen Glück und drücken alle Daumen, die wir haben!

Unsere Taschen und Körbe werden leichter. Vor allem der Kaffee und die warmen Sachen kamen gut an.

Unsere Aktionen gehen weiter

12.00 Uhr: Unsere Tüten und Körbe leeren sich. Einer älteren Dame schenken wir noch eine Jacke. Und eine Decke. Sie nimmt auch einen Becher Kaffee dankend an. “Frohe Weihnachten!” Wir gehen langsam wieder in Richtung Dom. Eine Passantin macht noch ein Erinnerungsfoto von uns. Es ist zwar nur ein Vormittag, den wir hier verbracht haben, aber ein sehr besonderer Vormittag. Unsere Menschenfreude-Besuche auf der Straße sollen weiterhin Tradition haben.

Nach dem Foto verabschieden wir uns für dieses Mal. Anke und Andreas nach Köln. Elke in Richtung Bonn und Kathrin zurück ins Münsterland. Wir dürfen zurückkehren nach Hause, zu unseren Familien. Was für ein Glück!

Abschiedsfoto für diesen Advent-Samstag in Köln: (v.l.: Kathrin Anderseck, Andreas Zörbel, Anke und Elke Skwirblies)

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